Das in Luxemburg dominierende Wohnmodell ist jenes des individuellen Wohnens. Soziale und ökologische Aspekte der Quartiersbildung haben nur einen sehr begrenzten Stellenwert in der öffentlichen Diskussion. Wohnformen, die den Fokus auf soziale Interaktion und Nachhaltigkeit legen, werden in Luxemburg zwar von immer mehr Menschen, auch politischen Vertretern:innen, als reale Alternative anerkannt, spielen jedoch auf dem Wohnungsmarkt keine Rolle. Das enorme Potential von Non-Profit-Wohnkooperativen bei der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum sollten alle politischen Parteien, sowie die nächste Regierung endlich anerkennen und gezielt fördern. Luxemburg hinkt auf diesem Thema einer Vielzahl anderer europäischer Länder, wie z.B. unseren Nachbarländern oder auch Österreich oder der Schweiz hinterher.
In der letzten Legislaturperiode erhielt diese Erkenntnis sogar Eingang in das Koalitionsabkommen. Letzteres sah vor, einen legalen Rahmen für gemeinschaftliche bzw. kooperative Wohnformen zu schaffen. Dieses Vorhaben wurde jedoch, ebenso wie jenes verstärkt Bauland auf Erbpacht zur Verfügung zu stellen, nicht umgesetzt.
Dabei haben gemeinschaftliche und kooperative Wohnformen einen großen gesellschaftlichen Mehrwert und einen erheblichen sozialen Nutzen, der über den rein finanziellen Aspekt hinausgeht. Positiv hervorzuheben ist, dass kooperative Wohnprojekte:
- bedürfnisgerechtes Bauen und das soziale Miteinander fördern;
- politische Zielsetzungen betreffend Ökologie oder freiwilliger Hilfeleistungen (wie Pflege oder Kinderbetreuung) übernehmen;
- für zahlreiche Menschen eine attraktive Lebensoptiondarstellen und qualitativ hochwertigen Wohnraum, auch für Menschen mit weniger finanziellen Mitteln, schaffen. So haben auch bereits heute Non-Profit Akteure, wie Nichtregierungsorganisationen, Stiftungen oder Kooperativen mit dem Statut der „société d’impact sociétal“ Zugang zu staatlichen Fördergeldern;
- je nach Ausrichtung, zudem die soziale Durchmischung, intergenerationelles Wohnen, eine ökologische Bauweise, autofreies Wohnen, partizipative Planung, Bau und Nutzung fördern;
- zusätzlich die soziale Stabilität und Nachbarschaften sowie die Attraktivität eines Wohnstandorts stärken.
Neben den staatlichen Bauträgern wie SNHBM oder Fonds du Logement, kann eine Vielzahl von „nicht gewinnorientierten“ privaten Akteuren einen erheblichen Teil zur Schaffung von erschwinglichem oder sogar sozialem Wohnraum beitragen. Auf Ministeriumsebene (auch auf Gemeindeebene) besteht derzeit jedoch nur wenig Wissen in Bezug auf solche Wohnprojekte, deren Bedürfnisse und die Herausforderungen, denen sich diese stellen müssen. Dabei sind Wohnkooperativen, nach staatlichen Starthilfen, regelrechte Produktionsmaschinen von bezahlbarem Wohnraum. Heute unterstützte Kooperativen, sind die Akteure die den Wohnraum mit den billigsten Nutzungsentgelten (Mieten) von morgen schaffen können, da sie kostendeckend und ohne Gewinnzweck wirtschaften.
Es ist an der nächsten Regierung, die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit sich gemeinschaftliche und kooperative Akteure, die Bauvorhaben ohne Gewinnzweck umsetzen möchten, reell auf dem Wohnungsmarkt etablieren können.
Eine große Hürde für Akteure, die gemeinschaftliche und kooperative Wohnformen schaffen wollen, ist zunächst der Zugang zu Land oder Bestand auf dem freien Markt, der mit sehr hohen Kosten verbunden ist.
Darum sollte die nächste Regierung folgende Schritte konsequent angehen:
- Grundvoraussetzung für das Entstehen von Wohnkooperativen ist das Bereitstellen von Grundstücken, da diese einen hohen sozialen Anspruch haben und unter Marktbedingungen nur schwer zu realisieren sind. Der Staat sollte den Zugang zu Grundstücken und Bestand in staatlichem Besitz über „bail emphytéotiques“ für nicht gewinnorientierte Akteure fördern.
- Neue, innovative und zukunftsweisende Konzepte gilt es offensiv zu thematisieren und zu fördern, Wissen und Kompetenzen auf staatlicher Ebene aufzubauen. So sollten z.B. die Wohnungsbauberater:innen im Rahmen des „Pacte Logement 2.0“ eine Aus- und Weiterbildung zum Thema gemeinschaftliche und kooperative Wohnformen erhalten.
- Eine öffentliche Beratungsstelle für gemeintschaftliche und kooperative Wohnformen sollte aufgebaut werden. Diese sollte über die Möglichkeiten und die Verfügbarkeit neuer Wohnformen informieren, Unterstützung bei der Gründung von sozialen Wohnprojekten leisten und helfen, die verschiedenen Akteure zusammenzubringen. Darüber hinaus sollten genügend finanzielle Mittel zur Verfügung stehen um u.a. die Projektbegleitung, die bei partizipativen Prozessen anfällt, zu übernehmen. Auch Personal und administrative Ressourcen für die Anpassung von PAGs und PAPs an die Bedürfnisse von Wohnprojekten sollten bereitgestellt werden.
- Der Fonds spécial de soutien au développement de logements abordables sollte ebenfalls genutzt werden, um gemeinnützigen Kooperativen den Zugang zum Markt zu ermöglichen. Kooperativen sollten Zugang zu billigen und stabilen Krediten mit Staatsbürgschaft haben.
- Das Konzeptvergabeverfahren sollte eingeführt werden. Mit diesem Verfahren, das z.B. in Deutschland (Tübingen, Hamburg…) mittlerweile weit verbreitet ist, kann gezielt gemeinnütziger und genossenschaftlicher Wohnraum geschaffen werden. Hier erhält nicht der Höchstbietende, sondern das beste Konzept den Zuschlag. Der Staat (aber auch Gemeinden) können somit die Vergabe an soziale und ökologische Ziele, wie z.B. stärkere Gemeinschaftsbildung, bessere soziale Durchmischung und dichteres Bauen erreichen.
- Akteure, die sozialen und gemeinnützigen Wohnraum schaffen, sollten den stark ermäßigten Steuersatz von 3% auf Baukosten in Anspruch nehmen können.